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Rede Barbara Blaha zur Ao. Landesfrauenkonferenz: Wir müssen nur wollen? Eine Reklamation.

Wir müssen nur wollen? Eine Reklamation.

Liebe Genossinnen, Zuallererst möchte ich mich für die Gelegenheit bedanken, heute hier sein zu dürfen. Es ehrt mich sehr, dass ihr mir erlaubt eure Konferenz zu eröffnen. Gleich zu Beginn sei mir außerdem eine Bemerkung gestattet: Als wahlberechtigte Bürgerin in diesem Land, als überzeugte Sozialdemokratin finde ich es gelinde gesagt höchst befremdlich wie mit kritischen Stimmen innerhalb der Partei umgegangen wird. Das ist nicht nur auf einer inhaltlichen Ebene falsch, sondern auch auf einer taktischen. Das Niederbügeln von anderen Meinungen ist ein Zeichen fehlender Souveränität, zugleich verengt man das Spektrum der Wählerschaft, die man erreichen kann. In Zeiten, in denen der Wind rauer bläst bin ich dankbar für die Gelegenheit, Sonja Ablinger wenigstens zum Schluss persönlich danke sagen zu dürfen. Du warst, Du bist wichtig für uns Sozialdemokratinnen.

Erst letzte Woche habe ich meinen Arbeitsplatz gewechselt. In meiner neuen Firma habe ich sehr nette Kolleginnen, eine davon ein Stück jünger als ich. Vor zwei Tagen stolperten wir in der Kaffeeküche quasi nebenbei in die Frauendebatte. Dieses Gespräch habe ich so oder so ähnlich schon sehr oft geführt, der Grundtenor ist immer der selbe: „ Jetzt habt euch Feministinnen doch mal nicht so! Wir Frauen dürfen doch inzwischen wirklich alles, Mädchen sind überall erfolgreicher, sieht man schon in der Schule, später an der Uni sowieso. Von der Nationalratspräsidentin bis zu Ministerinnen: auch politisch sind Frauen in zentralen Funktionen. Sogar Privilegien haben wir, wir dürfen vor den Männern in Pension! Wenn wir die Augen verschließen etwa vor dem epidemischen Alltagssexismus, den transportierten Stereotypen in Werbung und Medien, dann könnten wir uns entspannt zurücklehnen. Es stimmt: die rechtliche Gleichstellung ist da. Auf dem Papier sind Frauen nicht mehr benachteiligt. Ich glaube, hier liegt ein Stück weit die Ursache dafür, dass die Frauenbewegung in den letzten Jahren manchmal ein bisschen orientierungslos gewirkt hat und sich mitunter auf recht merkwürdige Detaildiskussionen konzentriert hat. Viele Frauen haben das Gefühl, dass ihnen die Fahnenfragen abhanden gekommen sind. Aber hat sich der Feminismus wirklich tot gesiegt?

Die naheliegende Frage wäre die nach dem echten Leben. Ist bei den Frauen die rechtliche Gleichstellung angekommen? Hat sich ihre Situation der der Männer endlich angeglichen? Schon einige wenige Zahlen beweisen eindrücklich das Gegenteil: 5% männlicher Kindergeldbezieher 2% männliche Kindergärtner 4% Alleinerziehende Männer Männer leisten nicht einmal zwanzig Prozent der Hausarbeit Dafür klafft die Lohnschere weit auseinander, über 20% – man könnte auch sagen: Männer verdienen um 40 Prozent mehr als Frauen, das schreibt sich im Alter fort: Frauen erhalten nur 60 Prozent der Pension der Männer. Männer bekommen 80 Prozent mehr Pension Der Anteil von Frauen in Spitzenpositionen der Politik sinkt, dafür steigen die Anzeigenzahlen bei häuslicher Gewalt gegen Frauen. Aber wen sollen wir für das alles zur Verantwortung ziehen? Unseren Partner, der im Haushalt nicht genügend mithilft? Den Kollegen, der während meiner Babypause befördert wurden? Die Frauen, die nur mehr in Teilzeit in den Job zurückkehren? Ist nicht jede individuell dafür verantwortlich, ihr Leben selbstbestimmt, autonom und emanzipiert zu gestalten? Die Grundlagen dafür wurden von den Frauen vor uns doch immerhin erkämpft.

Im Umkehrschluss bedeutet das: Wenn eine es nicht schafft, dass zuhause beide gleich viel anpacken, dass sie genauso viel verdient wie er und sich wenigstens auf die selbe Pension verlassen kann wie er – dann ist sie selber schuld.

Selbstbestimmung war für uns frauenbewegte mit gutem Grund immer ein ganz besonders hohes Gut. In den letzten Jahren hat sich aber auch in unsere Köpfe etwas ganz Fatales aus dem neoliberalen Mainstream eingeschlichen: Das Gerede von der absoluten Selbstverantwortung, und damit die Vereinzelung und Individualisierung von Schuld. Wie es den Armen und Abgehängten, den Verschuldeten und Nichtmehrmithaltenkönnern in irgendwelchen nachmittäglichen Sozialpornos hämisch entgegen schallt, so bekommen auch wir zu hören: Selbst schuld! Du bist selbst schuld an Deiner Misere!

Der Feuilleton quakt es uns seit Jahren vor, und wir beginnen tatsächlich zu glauben, dass es die Lösung ist:
Studiert doch Technik!
Bastelt an euren Karrieren!
Seid nicht dumm, arbeitet Vollzeit!

Vor allem aber: Beschwert Euch nur ja nicht, wenn ihr etwas davon nicht getan habt.

Ursachenforschung interessiert hier nicht. In der Süddeutschen Zeitung war, um ein ganz willkürlich herausgegriffenes Beispiel zu zitieren, zu lesen: „Immer wieder sehen sich die Frauen vor die Wahl gestellt, die Zähne zusammen zu beißen oder es sich zuhause gemütlich zu machen. Und immer wieder entscheiden sich die meisten für die zweite Variante. Dagegen spricht auch nichts, solange sie nachher nicht den bösen Männern und den widrigen Umständen die Schuld daran geben.“ Genau! Sie sind doch selbst schuld! Machen es sich zuhause gemütlich, diese bequemen Frauen!

Die zugrunde liegende Lüge ist das Märchen, dass alle ihres eigenen Glückes Schmied sein sollen. Das ist schon deshalb eine Lüge, weil wir alle nicht unabhängig von einander existieren, sondern bestimmte Bedingungen vorfinden, mit denen wir umgehen müssen. Und es berücksichtigt nicht, dass es unmenschlich ist, keine Fehler zu machen. Das dauernde Gerede von der Selbstoptimierung bringt lauter Zombies hervor, Menschen, die funktionieren auf Teufel komm heraus, immer nett und unverbindlich, immer leistungswillig, immer knallhart auf ihren Vorteil bedacht. Wollen wir so leben? Und selbst wenn wir es wollten – können wir so leben? Niemand kann in einen Menschen hinein schauen. Weiß ich, wenn ich die Beziehung beginne, ob er in Karenz gehen wird? Weiß ich, ob er putzt? Weiß ich, ob er seine alte Mutter pflegt wenn es notwendig ist? Ich weiß es anfangs natürlich nicht. Eine Partnerschaft ist ein Aushandlungsprozess. Und ich soll selbst schuld sein, wenn ich in diesem Aushandlungsprozess den Kürzeren ziehe?

Lauren Penny hat für ihr Buch „Fleischmarkt“ Hunderte von Frauen befragt, wie sie ihren Haushalt organisieren. Die häufigste Antwort: „Er sieht einfach den Dreck nicht, den ich sehe“. Dabei – auch das ist ja untersucht – haben Männer und Frauen keine unterschiedliche Toleranzschwelle in Fragen der Haushaltshygiene. Männer wie Frauen mögen es vergleichbar sauber. Nur muss es halt auch wer machen. Der ungewollten Hausarbeit zu entgehen, so Pennys These, ist für Männer sehr leicht: Auf stur schalten, sitzen bleiben, die Sache aussitzen. In dieser ständigen Auseinandersetzung erschöpfen sich tagtäglich Tausende Frauen.

Eine Beobachtung, die ich hier mache: Wer es sich leisten kann, reicht den Kelch weiter: Und engagiert eine Putzfrau. Nur: Wer putzt denn bei der zuhause? Es ist doch eine Verhöhnung von Frauen, wenn wir sinngemäß lesen, dass sie selbst schuld sein sollen daran, dass wir erst im Lauf einer Partnerschaft feststellen, dass wir es mit einem verkappten Macho zu tun haben. Was soll denn das heißen? Als ob da draußen lauter Männer herum liefen, ganz gierig auf Staubsaugen und Wischen, auf Kinder wickeln und Karriereknick!

Penny fasst zusammen, dass der Feminismus im Bereich der Frauenarbeit außerhalb des Hauses wichtige Fortschritte erzielt hat, dass die Gleichberechtigung im Haus aber nach wie vor weit entfernt ist. Frauen erledigen das nach wie vor weitgehend alleine, meist neben ihrer Lohnarbeit. Sie arbeiten, fahren heim, arbeiten weiter, eine unbezahlte Extraschicht. Und wenn sie Feministinnen sind schämen sie sich insgeheim dafür. Sie haben es schließlich nicht geschafft, ihr Leben nach ihren Grundsätzen zu organisieren. Neben Lohn- und Familienarbeit, neben all der Logistik rund um die Kinderbetreuung, Kindergeburtstage, Förderkurse, Nachhilfestunden, neben all dem Auf-dem-Schirm-haben und einen Schritt-voraus-denken, begleitet die Frauen das Gefühl des Versagens. Man kann das verbergen: „Im Job ist es so stressig, das ist gar nicht seine Schuld, er leidet da auch drunter“. Man kann das leugnen: „Seit die Kinder da sind, weiß ich einfach, es gibt wirklich einen Unterschied zwischen Müttern und Vätern, früher hätte ich das auch nicht geglaubt“. Am Ende weiß man: es ist nicht, wie es sein soll.

Zusätzlich greifen ja auch bei feministisch eingestellen Paaren die altbekannten Strukturen: Er verdient halt wirklich mehr, ist doch auch ein paar Jahre älter. Während sie sich beruflich noch nicht wirklich orientiert hat und ihr da die Teilzeit neben dem Kind ganz entgegen kommt, steht er schon mit beiden Beinen im Berufsleben. Und verdient. Weil das Haus muss ja auch wer abzahlen, das geht sich sonst nicht aus. Aber selbst wenn nur die Frage wäre, wie und ob ich ihn soweit bekomme auch Hand anzulegen im Haushalt, bei der Kindererziehung, bei der Pflege: Die Mehrheit der Frauen da draußen kam mit feministischen Grundsätzen allenfalls am Rande in Berührung. Die wollen oder können gar nicht raufen zuhause. Aber auch für die brauchen wir Pensionen, die das Existenzminimum übersteigen! Auch die sind nicht verantwortlich zu machen für eine gesellschaftliche Schieflage, die nach wie vor einer echten, einer vollen Gleichberechtigung im Weg steht.

Wenn wir uns auf die Suche machen nach Lösungen für unsere Situation, dann müssen wir zuallererst diese neoliberale Vereinzelung überwinden. In der Isolation ist kein Platz für produktive Wut, auf die Verhältnisse
• auf die fehlenden Kinderbetreuungsplätze
• darauf, dass niemand spricht von der 32-Stunden-Woche, obwohl alle wissen, dass es vor allem auch Frauen wären, die davon profitieren
• Auf den Pflegeskandal – und das ist er nach wie vor: ein Skandal!
• Darauf, dass von Gesetzes wegen nicht beide Partner in etwa gleich lange in Karenz gehen müssen und Männer dadurch auch nicht mehr so leicht am Arbeitsplatz unter Druck kämen, wenn sie für eine Zeit bei den Kindern blieben

Wir alle kennen diese Liste, wir alle könnten sie fortsetzen. Eine politische Handlungsoption ergibt sich nicht aus der Kategorie „Selbst Schuld“. Scham für das eigene Scheitern lähmt, sonst nichts. Das sollte auch berücksichtigen, wer in jüngster Zeit frauenpolitische Kampagnen konzipiert. „Achtung – Teilzeit“ hieß eine davon. Wenn Frauen nur wüssten, welche drastischen Auswirkungen einige Jahre Teilzeit hätten, würden sie sich nicht darauf einlassen, so die Annahme. Diese und ähnliche Aktivitäten tragen nur noch weiter dazu bei, Frauen die Verantwortung zuzuweisen. Indem man den Frauen bloß empfiehlt sich besser zu informieren, blendet man gesellschaftliche Machtverhältnisse einfach aus.

Und, mindestens genauso schlimm, man drückt sich vor der eigenen politischen Verantwortung.
• Vollzeitbetreuungsverhältnisse über 40 Stunden die Woche sind für Kinder unter drei Jahren in diesem Land kaum aufzutreiben. Punkt.
• Einigermaßen sichere Vollzeitarbeitsplätze sind selbst für gut ausgebildete Frauen – übrigens auch Männer – in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit und nach Jahren der Aufweichung des ArbeitnehmerInnenschutzes (Stichwort Prekäre Beschäftigung) zunehmend Mangelware. Punkt.
• Wenn kein dickes Sparbuch da ist können Pflegefälle unter menschenwürdigen Bedingungen praktisch nicht ausgelagert werden. Punkt.
• Dass unser Pensionssystem Frauen strukturell massiv benachteiligt wissen wir seit Jahrzehnten.

Wo bleibt die Forderung nach einer beitragsfinanzierten Volkspension, wie in Dänemark? Am Ende 2.000 Euro für alle, unabhängig vom Einkommen? Ein neues Element im gesellschaftlichen Diskurs der letzten Jahre ist das Motiv der fehlenden Bündnisse. Wir müssten, so der Tenor nur endlich die Männer mit ins Boot holen, eine Emanzipation an der nur ein Geschlecht teilnimmt sei nur eine halbe – das müsse doch in Erschöpfung enden. Nun, so einfach ist die Sache nicht: Klar leiden auch Männer unter dem Patriarchat, sind genauso mit Stereotypen und Rollenerwartungen konfrontiert, sind eben nicht frei ihr Leben ihren ureigensten Wünschen nach zu gestalten. Aber: So sehr sie auch unter den Machtverhältnissen leiden, sie profitieren auch durch sie. Sie haben viel zu verlieren: Macht und Einfluss, Karrieremöglichkeiten, Freizeit zuhause. Es ist schlicht nicht so, das im Kampf um Gleichberechtigung das Match „die Frauen“ gegen „die Männer“ gespielt wird.

Diese Annahme verschleiert die realen Machtverhältnisse. Anita Sarkeesian hat Recht, wenn sie sagt: „Im Spiel des Patriachats sind Frauen nicht das gegnerische Team. Sie sind der Ball.“ Wenn wir am Ende Angst bekommen vor dem eigenen Zorn, auf genau diese Verhältnisse, wenn wir uns sorgen dass uns die Kraft ausgeht, dann brauchen wir uns nur daran zu erinnern, das Feministinnen wahnsinnig optimistische Menschen sind, wie Anne Wizorek in ihrem Buch so schön formuliert hat. Wir glauben, dass sich die Gesellschaft von Grund auf ändern lässt. Dass der Lauf der Geschichte auf unserer Seite ist. Dass am Ende alle etwas von unserem Kampf haben. Denn es geht uns Feministinnen wie Johanna Dohnal meinte ja nicht um eine weibliche Zukunft, unsere Vision ist eine menschliche Zukunft.

Es geht hier schlicht nicht um uns. Es geht um alle.

Barbara Blaha ist Leiterin des Momentum Kongresses.

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